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Tipps für das Leben als IT-Freelancer

Tipps für das Leben als IT-Freelancer

Vielleicht überlegt der eine oder die andere von Euch, im Jahr 2023 in die große, aufregende Welt der Freelancer einzusteigen. Vielleicht seid ihr aber auch wie ich schon seit 10 Jahren Freelancer. Um Euch ein wenig zu helfen und vor allem um Euch Lehrgeld und Nerven zu ersparen, hier ein paar persönliche Tipps und Wegweiser, die Euch das Leben als Freelancer deutlich erleichtern werden. Den alten Hasen wird das alles schon bekannt vorkommen, aber wer weiß: Vielleicht lernt der eine oder die andere ja noch etwas Neues dazu oder hat in all den Jahren etwas vernachlässigt. Ich habe auch nicht alles sofort gewusst.

Habe genug Rücklagen.

Die einfachste und wichtigste Regel zuerst. Es gibt Flauten und Zyklen, unabhängig davon, ob der Markt insgesamt gerade gut oder schlecht läuft oder ob man gesund oder krank ist. Im Projektgeschäft ist die Flaute typischerweise im Januar/Februar und während der Sommerferien. In diesen Zeiten ist es schwieriger, Projekte zu finden als im Rest des Jahres. Es gibt aber auch andere Situationen. Zum Beispiel, wenn ein Projekt zu Ende geht, das nächste aber erst einen Monat später beginnt, also einen Monat kein Geld kommt. Oder der Kunde einen Rückzieher macht. Kurzum: Man sollte finanzielle Reserven haben, um mindestens drei, besser sechs Monate ohne Einkommen überleben zu können. Und damit sind nicht nur die Lebenshaltungskosten gemeint, sondern auch alle Steuern, Sozialabgaben und sonstigen Verpflichtungen.

Kalkuliere Deinen Stundensatz.

Als Faustregel gilt: Dein gewünschtes Nettoeinkommen mal 2 plus 20% geteilt durch die Stunden, die du arbeiten kannst und willst. Und dann nochmal aufrunden. Damit hast Du Deinen Lohn, die Lohnnebenkosten und ca. 30-40 Tage im Jahr für Urlaub, Krankheit, Weiterbildung, Rücklagen etc. abgedeckt. Ob der Stundensatz konkurrenzfähig ist, kannst du entweder durch Erfahrung oder durch Marktstudien wie dem Freelancer-Kompass herausfinden. Solche Marktstudien sind aber immer nur ein Indikator für mögliche Stundensätze. Letztendlich ist es eine individuelle Entscheidung, wie teuer oder preiswert man sich verkauft und auch eine Frage des Verhandlungs- und Verkaufsgeschicks. Hat man sich einmal auf einen Stundensatz eingependelt, sollte man sich nicht mehr herunterhandeln lassen. Sätze wie „Wir können nicht mehr…“ oder „Alles super, aber der Stundensatz geht so nicht…“ oder „…aber dafür ist das Projekt langfristig“ oder „…Verlängerung ist sicher“ hört man oft. Verkauf Dich nicht unter Wert. Wenn ein Projekt lange mit einem niedrigen Stundensatz läuft, dann hast Du auch lange keine Möglichkeit diesen Stundensatz zu erhöhen.

Und noch etwas: Mache keine Freundschaftspreise für kleinere Projekte nebenbei. Irgendwann spricht sich der billige Stundensatz herum und führt zu Dumping. Immer volle Stundensätze, keine Rabatte. Trotzdem haben ehrenamtliche Projekte ihre Daseinsberechtigung und brauchen ab und zu professionelle Hilfe. Dann hilf gerne, aber dann ohne Geld als Gegenleistung. Bei solchen Projekten ist ohnehin nicht das Geld der Motivator, sondern der Idealismus. Und der ist mit Geld sowieso nicht zu bezahlen.

Setze dir ein Stundenziel für ein Jahr.

Normalerweise verkaufen wir Zeit gegen Geld. Acht Stunden am Tag, 40 Stunden in der Woche usw. Ob ein Geschäftsjahr gut oder schlecht war, lässt sich leicht daran ablesen, wie viele Stunden verkauft oder abgerechnet werden konnten. Und natürlich zu welchem Stundensatz. Daraus lässt sich eine Aufstellung machen. Nämlich wie viele Stunden zu welchem Stundensatz benötigt werden, um das gewünschte Einkommen zu erzielen. Die Erfahrung zeigt, dass 1000 oder 1200 produktive Stunden im Jahr ausreichen, um mit IT-Stundensätzen sehr gut über die Runden zu kommen. 1500 Stunden sind schon vergleichsweise viel. Mache Kollegen haben auch Lust richtig Zahlen zu machen und machen noch mehr Stunden. Andere lassen es gemütlicher angehen. Die Anzahl der Stunden sollte in jedem Fall für einen selbst realistisch und machbar sein und sollte zu Beginn tendenziell etwas niedriger angesetzt werden. Mehr arbeiten kann man ja immer noch, wenn man Lust hat. Wenn man diese Tabelle das ganze Jahr über im Auge behält, kann man sehen, wie erfolgreich man ist und ob das Jahr nach Plan läuft. Auch kann man so aufeinanderfolgende Jahre gut vergleichen.

Denk an Deine Umsatzsteuervoranmeldungen!

Leg Dich nie mit dem Finanzamt an. Wenn Du einmal oder mehrmals die Umsatzsteuervoranmeldung versäumst, kann es richtig unangenehm werden. Setze Dir einen festen Termin. Die Umsatzsteuer muss ohne weitere Aufforderung spätestens am 10. Tag des Folgemonats an das für Dich zuständige Finanzamt gezahlt werden. Die Umsatzsteuervoranmeldung muss natürlich ein paar Tage vorher dort ankommen. Ändert sich Dein Voranmeldungsrhythmus, zum Beispiel auf vierteljährliche Voranmeldungen, wird Dich das Finanzamt schriftlich informieren.

Nimm Dir DEFINITIV einen Buchhalter / Steuerberater! TU ES!

Buchhaltung und Umsatzsteuervoranmeldungen kann man mit Tools wie Lexoffice noch ganz gut selbst erledigen, aber spätestens bei der Steuer braucht man professionelle Unterstützung. Gerade wenn Du erfolgreich bist, gibt es schnell steuerliche Irrungen und Wirrungen, Zusammenfassende Meldungen, Dreiecksgeschäfte mit der Schweiz oder was da sonst noch lauert. Konzentriere Deine Energie unbedingt auf Dein Geschäft und überlasse die steuerliche Organisation einem Profi.

Halte Deinen (maschinenlesbaren) CV und Dein Profil stets aktuell.

Es klingt einfach, erfordert aber Disziplin: Der Lebenslauf sollte immer aktuell und griffbereit sein. Dein CV und Deine Projekthistorie sind Deine Währung. Auch wenn Du eine Homepage und ein Online-Portfolio hast, wird jeder einen CV.pdf von Dir sehen wollen, und wenn ein Personalverantwortlicher einen CV ausdrucken will und Du keinen vorzeigen kannst, ist Dein kleines Abenteuer hier zu Ende. Auch für die Länge des CV gibt es nur eine Regel: je länger, desto besser. In erster Instanz schaut sich sowieso niemand Deinen Lebenslauf an, sondern er landet in einem Pool mit Hunderttausenden anderen. Wenn ein Recruiter eine Projektanfrage bekommt, startet er eine Stichwortsuche und findet die CVs, die einerseits die Stichwörter haben und andererseits maschinenlesbar sind. Erst dann schaut sich jemand die CVs persönlich an und trifft die Endauswahl.

Ob und wie eine Maschine einen CV lesen kann, kann man testen. Beispielsweise mit dem CV-Parser CVlizer.

Schließ eine Berufshaftpflichtversicherung für (IT-)Freelancer ab.

Abgesehen davon, dass man jede beruflich notwendige Versicherung auch steuerlich geltend machen kann, wäre es als Privatperson unverantwortlich, diese Versicherung nicht abzuschließen, da man im Zweifelsfall mit seinem gesamten Vermögen haftet. Und ganze Ausfälle der IT-Systemen großer Unternehmen sind richtig teuer. Ein weiterer Grund ist schlicht, dass viele Auftraggeber und Agenturen für eine Beauftragung den Nachweis einer Haftpflichtversicherung zwingend verlangen.

Spare nicht bei der Vorsorge.

Man sollte nicht den Fehler machen, die Selbständigkeit als Sparmodell für Versicherung und Vorsorge zu begreifen. Eigentlich sollte man sich in der Selbständigkeit noch besser absichern als in der Festanstellung. Schließlich trägt man alle Risiken selbst und bekommt auch das Geld dafür. Also nicht nur gesetzliche Rentenversicherung, sondern zusätzlich private Altersvorsorge. Auf einem Bein steht man schlecht. Ich empfehle, als Basis freiwillig in die GRV einzuzahlen. Die Höhe kann man selbst bestimmen, den Zeitpunkt auch (monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich). Darauf aufbauend dann eine ergänzende PRV bzw. alternative Sparmodelle (ETFs, Rürup etc.).

Freundschaft ist Freundschaft, und Geschäft ist Geschäft.

Natürlich solltest Du immer freundlich, authentisch, hilfsbereit und ehrlich sein! Natürlich darfst Du Deinen Kunden auch duzen (wenn er es Dir anbietet oder es der Unternehmenskultur entspricht, was in 99% der Fälle der Fall ist). Aber trenne immer klar zwischen dem geschäftlichen und dem freundschaftlichen Teil einer Geschäftsbeziehung. Wenn der Kunde z.B. mit der Zahlung in Verzug ist, wende Dich (zusätzlich) freundlich, aber schriftlich an ihn: „Hey Stephanie, ist Heike schon im Urlaub oder ist da ein Kobold im System? Mein Geld von Rechnung XY vom soundsovielten ist nämlich leider noch nicht da…” Auch das zählt, richtig formuliert und als E-Mail verfasst, als rechtswirksame Mahnung. Wichtige Entscheidungen sollten immer schriftlich festgehalten und zusammengefasst werden. Nicht schludern!

Vernetze dich!

Freiberufler sind per Definition auf sich selbst gestellt. Das hat neben all der Freiheit auch Nachteile. Man hat keine Kolleginnen und Kollegen und es fehlt der Austausch unter Gleichgesinnten über Fragen und Dinge, die man nur als Freelancer hat. Da helfen dann Organisationen wie beispielsweise der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. oder die Slack-Community bei Uplink. Außerdem empfiehlt es sich, regelmäßig an (Tech-)Meetups in Deiner Stadt teilzunehmen oder auch welche zu organisieren, um so etwas unter seinesgleichen zu kommen.

Halte Deine Arbeitszeiten jederzeit nach.

Notiere immer genau, wann und woran Du gearbeitet hast. Sende freiwillig und proaktiv mindestens alle zwei Wochen, bei vertrauenswürdigen Kunden eher monatlich, eine Zusammenfassung Deiner Arbeitsstunden an den Projektleiter und lass Dir die Stunden abzeichnen. Du kannst auch mit Tools arbeiten, beispielsweise reine Software-Lösungen wie „Timing” für Mac OS oder Gadgets wie dem Timeular Tracker, falls Du gerne etwas in der Hand halten möchtest. Ich selbst benutze das gute alte mite. Das läuft im Browser und damit überall. Und bietet auch einen Kundenzugang fürs Projekt, so dass man sich quasi in Echtzeit tracken lassen kann.

Keine Angst vor Leerlauf.

Verkaufe Dich nicht unter Wert, nur weil Du mal ohne Auftrag bist. Halte an Deinem Stundensatz fest (siehe oben). Bist Du erst einmal bei Agenturen und Personalberatern mit einem bestimmten Stundensatz bekannt, ist es sehr schwer, davon wegzukommen oder dem Kunden zu verkaufen, dass Du „plötzlich” wieder mehr willst. Nutze die Auszeit lieber sinnvoll und zielgerichtet, zum Beispiel für Kurse, Zertifizierungen oder ein gutes Buch. Lerne immer wieder etwas Neues oder mach Urlaub oder beides. Schwankungen in der Nachfrage sind völlig normal. Gegen Ende des Monats wachen eh meist die Kunden auf und wollen am liebsten gestern etwas erledigt haben. Nimm deine Rücklagen (siehe oben) und entspanne dich. Außerdem kannst du dein Stundenziel (siehe oben) auch mit Leerlauf auf Jahressicht noch erfüllen.

Kein Backup, kein Mitleid.

Sichere Deine Daten, Dokumente, Unterlagen, Passwörter oft und regelmäßig. Entweder irgendwo in der Cloud oder noch besser irgendwo offline. Man kann auch Zip-Dateien mit einem Passwort schützen, das hilft, wenn Sicherungsmedien verschwinden oder in falsche Hände geraten. Auch Deine Hardware sollte redundant sein. Das heißt, ein alter Laptop und ein altes Handy im Schrank helfen, falls das Hauptgerät ausfällt oder im Zug liegen bleibt, wie bei mir. Nicht immer hat man das Glück, dass ein 2000 Euro teurer Laptop im Fundbüro wieder auftaucht, wie bei mir.

Bonus-Tipp für alle, die bis hierhin gelesen haben:

Richte neben deinem Geschäftskonto ein Extrakonto für Steuern ein und zahle jeden Monat die Hälfte (ja, die Hälfte!) deines Nettoeinkommens darauf ein. Rühre dieses Konto nicht an, bis die Steuern für das letzte Jahr komplett bezahlt sind. Das Schöne daran: Du sparst damit automatisch und effizient Geld, denn 50% Steuerlast sind sehr, sehr selten und was übrig bleibt, ist Dein Nettogewinn, den Du dann verschleudern oder gut investieren kannst. Aber falls die Steuerkeule doch kommt, bist Du vorbereitet. Denn: Leg Dich nie, nie mit dem Finanzamt an!